Zwölf Stämme: Wie eine Glaubensgemeinschaft Gewalt ritualisierte
Systematischer Missbrauch, religiöse Indoktrination und die Flucht nach Tschechien – der erschütternde Fall der Sekte „Zwölf Stämme“ in Bayern
Was im September 2013 wie ein Polizeieinsatz gegen eine ungewöhnliche Glaubensgemeinschaft begann, offenbarte wenig später ein erschütterndes System aus autoritärer Kontrolle, religiöser Ideologie und ritualisierter Gewalt gegen Kinder.
Die Polizei rückte mit rund 100 Beamten in Klosterzimmern und Wörnitz (Bayern) an – zwei Orte, an denen die christlich-fundamentalistische Sekte „Zwölf Stämme“ lebte und ihre eigene Welt errichtet hatte. Bei der Razzia wurden 40 Kinder aus der Obhut der Gemeinschaft befreit. Sie sollen über Jahre hinweg systematisch geschlagen und indoktriniert worden sein – so steht es in internen Berichten des Jugendamts und in den Aussagen ehemaliger Mitglieder.
Hintergrund: Die Ideologie der Zwölf Stämme
Die „Zwölf Stämme“ – gegründet in den 1970er-Jahren in den USA – verfolgen ein ultrakonservatives Bibelverständnis. Der Staat wird als satanisch betrachtet, weltliche Einflüsse werden abgelehnt. In Klosterzimmern bei Deiningen im Landkreis Donau-Ries betrieben die Mitglieder ein abgeschottetes Leben mit eigener Schule, eigenem Gottesdienst – und eigenen Strafen.
Kinder gehörten laut der Ideologie nicht den Eltern, sondern der Gemeinschaft. Sie wurden demnach täglich geschlagen, auch für vermeintliche „Gedankensünden“. Die Prügel – mit Ruten, wie man sie im Mittelalter benutzte – galten angeblich als „Liebe Gottes“. Dies könne, so hätten es Insider berichtet, als religiös verbrämte, ritualisierte Erziehungsgewalt gewertet werden.
Beweismaterial: Ein RTL-Reporter schleuste sich ein
Der entscheidende Beweis kam durch verdeckt erstellte Aufnahmen des RTL-Journalisten Wolfram Kuhnigk, der sich 2013 in die Sekte einschleuste. Er filmte mit versteckter Kamera, wie Schulkinder mehrfach täglich körperlich gezüchtigt wurden – mit Andacht davor, Bibelzitaten danach.
Diese Bilder führten zur Durchsuchung durch Polizei und Jugendamt am 5. September 2013. In der Folge wurden die Kinder in staatliche Obhut gebracht. Mehrere Erwachsene wurden wegen Misshandlung Schutzbefohlener angeklagt.
Quellen:
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/polizei-holt-28-kinder-aus-christensekte-zwoelf-staemme-a-920586.html
https://www.stern.de/panorama/verbrechen/-zwoelf-staemme--polizei-holt-kinder-aus-glaubensgemeinschaft-3911442.html
Schule geschlossen, Mitglieder ausgewandert
Bereits im Juni 2013 hatte die Regierung von Schwaben der von der Sekte betriebenen Privatschule die Genehmigung entzogen. Die Kinder hätten keinen Zugang zu staatlichen Lehrplänen gehabt, es fehlte an qualifizierten Lehrkräften – stattdessen wurden sie laut damaliger Gutachten „bewusst abgeschottet und systematisch manipuliert“.
Im Nachgang der Polizeiaktion verließen viele Mitglieder Deutschland – allen voran die Familien mit Kindern. Zahlreiche Mitglieder siedelten nach Tschechien über, wo die Gruppe bis heute existiert. Dort seien laut Medienberichten ähnliche Praktiken weiterhin möglich – da Gewalt in der Erziehung im familiärem Rahmen nicht explizit verboten sei.
Urteile und späte Gerechtigkeit
2015 wurden mehrere Mitglieder verurteilt – darunter eine Lehrerin, die zwei Jahre Haft wegen Kindesmisshandlung erhielt. Andere Angeklagte kamen mit Bewährungsstrafen davon.
Quellen:
https://www.katholisch.de/artikel/9467-sektenmitglied-muss-ins-gefaengnis
https://de.wikipedia.org/wiki/Zw%C3%B6lf_St%C3%A4mme_%28Glaubensgemeinschaft%29
Fazit: Ein Fall ideologisch motivierter ritualisierter Gewalt
Der Fall der „Zwölf Stämme“ steht exemplarisch für die Gefahren geschlossener religiöser Systeme: Isolation, Ideologie, Autorität – und Gewalt. Fachleute wie die Traumatherapeutin Michaela Huber würden in solchen Fällen nicht nur „Erziehungsfehler“, sondern gezielte psychologische Programmierung sehen – mit schwerwiegenden Folgen für das Erleben, die Bindungsfähigkeit und das Nervensystem der betroffenen Kinder.
Wie lange hätte das System überdauert, wenn ein Journalist sich nicht eingeschleust hätte? Und wie viele ähnliche Strukturen existieren heute noch im Verborgenen?
Quellen (ausgeschrieben):
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https://de.wikipedia.org/wiki/Zw%C3%B6lf_St%C3%A4mme_%28Glaubensgemeinschaft%29
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https://www.katholisch.de/artikel/9467-sektenmitglied-muss-ins-gefaengnis
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