Children of God: Die religiöse Ideologie hinter einem weltweiten System sexualisierter Gewalt

Mai 03, 2025

Er predigte göttliche Liebe – und schuf damit eine Sekte, in der Kinder systematisch missbraucht wurden: David Berg, Gründer der „Children of God“, baute in den 1970er-Jahren eine religiöse Bewegung auf, deren spirituelle Lehre sexuelle Ausbeutung nicht nur erlaubte, sondern theologisch rechtfertigte. Was sich als christliche Erneuerung präsentierte, war ein globales Netz ritualisierter Gewalt – durchzogen von Kontrolle, Zwang und religiösem Wahn.

Theologie der Perversion: Wie Bergs Lehre Missbrauch legitimierte

Laut übereinstimmenden Berichten ehemaliger Mitglieder, die in Reportagen, Büchern und Interviews (z. B. mit The Guardian, BBC, Vanity Fair) dokumentiert sind, predigte David Berg eine „Theologie der körperlichen Nähe“, die auch sexuelle Handlungen mit Minderjährigen einbezog. In sogenannten „Mo-Briefen“ – internen Anweisungen und Lehraussagen – erklärte er sexuelle Beziehungen als „göttlichen Liebesdienst“ und bezeichnete sie als „Zeichen von Hingabe“. Insbesondere Mädchen und Frauen wurde beigebracht, dass ihr Körper eine „heilige Ressource zur Missionierung“ sei.

Der Begriff „Flirty Fishing“, intern F.F. genannt, wurde zu einem zentralen Missionswerkzeug: Frauen wurden angewiesen, mit Sex neue Mitglieder zu „ködern“. Dabei sollen auch Kinder Zeugen oder Teil solcher Szenarien gewesen sein. In Brief Nr. 302 schrieb Berg sinngemäß: „Wenn du jemandem durch Sex Gottes Liebe näherbringst, hast du seine Seele gerettet.“ (Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Mo_Letters)

Ideologie trifft Struktur: Warum es nicht um Einzelfälle ging

Dieser Missbrauch war kein Unfall. Keine Randerscheinung. Sondern ein religiös aufgeladenes, ideologisch systematisiertes Machtinstrument. Kinder wuchsen innerhalb der Sekte in absoluter Isolation auf. Schule? Gab es intern. Polizei? War „Teil des Systems Satans“. Außenkontakte? Verdächtig. Das erschuf ein geschlossenes Weltbild, in dem jede Grenzüberschreitung von oben – also von „Prophet Moses David“ (Bergs Selbstbezeichnung) – als göttlicher Wille gedeutet wurde.

Die Täter agierten mit ideologischer Legitimation. Die Opfer wurden früh gebrochen, viele von ihnen später selbst zu Tätern. Die Gewalt war nicht spontan, sondern ritualisiert: Kinder wurden für angebliche „Sünden“ sexuell gedemütigt, Frauen mussten in „Liebesdiensten“ ihre Loyalität beweisen. Das alles unter dem Banner göttlicher Ordnung.

Der Mordfall, der alles veränderte

2005 erschütterte ein Fall die Öffentlichkeit: Ricky Rodriguez, Sohn zweier hochrangiger Mitglieder, tötete eine ehemalige Sektenführerin – und anschließend sich selbst. In einem Video, das er kurz vor seiner Tat veröffentlichte, sprach er von systematischem Missbrauch an ihm und anderen Kindern. Sein Ziel sei es gewesen, „ein Zeichen zu setzen“ – gegen das, was er als „heilige Folter“ bezeichnete.

Dieser Fall öffnete auch in Deutschland alte Wunden. Denn: Auch hier existierten Gruppen der „Children of God“. In Berlin, Frankfurt, Köln. Aussteigerinnen wie Miriam T. schilderten später in Medienberichten (z. B. Spiegel, ZDF) ähnliche Muster: Zwang zur Sexualität, psychischer Druck, absolute Kontrolle durch die sogenannten Shepherds (Gemeindeleiter).

Heute: Neue Namen, alte Strukturen?

Zwar benannte sich die Gruppe 2004 in „The Family International“ um, und offiziell distanziert man sich von der früheren Praxis. Doch zahlreiche frühere Funktionsträger sind weiter aktiv, viele Archive und interne Dokumente bleiben unzugänglich. In manchen Ländern, darunter auch Deutschland, bestehen informelle Netzwerke mit ehemaligen Mitgliedern, die sich – so Aussteiger – teilweise bis heute gegenseitig decken.

Quellen

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